Sie haben nie ein Spiel zusammen bestritten, kein gemeinsames Trainingslager absolviert und sind doch für die Europameisterschaft qualifiziert. Obwohl sie verschiedene Sprachen sprechen und keine einheitlichen Trikots tragen, laufen sie als die Traumbesetzung der Euro 2012 in Polen und der Ukraine auf: Die EASTERN ALLSTARS. Eine nie dagewesene Mannschaft großer Fußballer aus 100 Jahren Rasensport zwischen Ostsee und Schwarzem Meer.
Herausgeber: Stephan Felsberg & Tim Köhler | Autoren: Martin Brand & Robert Kalimullin | Illustrationen: Thomas Gronle
Włodzimierz Chomicki (1878-1953)
Mit gerade einmal 16 Jahren schoss sich der Lemberger Student Włodzimierz Chomicki in die polnischen und ukrainischen Fußballgeschichtsbücher. An einem lauen Sommertag des Jahres 1894 wurde in Lemberg erstmals öffentlich ein Fußballspiel präsentiert. Teilnehmer berichteten von einer chaotischen Begegnung. Weder Zuschauer noch Spieler kannten sich recht mit den Regeln aus. Die Spieler wussten nur eins: der Ball muss irgendwie zwischen den Fahnenstangen des Gegners untergebracht werden. Es ging wild hin und her beim Kampf um den Ball, doch nach sechs Minuten erzielte Chomicki – aus abseitsverdächtiger Position – das 1:0 für die Gastgeber. Damit wird die Fußballvorführung beendet. Chomicki hat das erste Tor in der Geschichte der Stadt geschossen, doch welcher Fußballnation gehört nun dieses erste Tor? In Polen gilt das Spiel im Lemberger Stryjski-Park als der Beginn der polnischen Fußballgeschichte, denn es waren polnische Turnvereinigungen aus Krakau und Lemberg, die dort erstmals gegeneinander Fußball gespielt haben. Zugleich steht aber auch in der Ukraine das Match für die Geburtsstunde des nationalen Fußballs, denn schließlich habe das Spiel auf „ethnisch ukrainischem Boden“ stattgefunden. Chomicki jedenfalls wurde später Sportlehrer an einem Lemberger Gymnasium. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste er wie viele andere Polen Ostgalizien verlassen und zog ins ehemals deutsche Niederschlesien.
Zygmunt Steuermann (1899-1941)
Lemberg gilt als Mekka des polnischen Fußballs der 1920er Jahre. Dort spielten die Erstligisten Czarni und Lechia und das legendäre Team von Pogoń, das zwischen 1922 und 1926 vier Meistertitel in Serie holte. Von Anbeginn in der 1927 gegründeten höchsten polnischen Liga vertreten war auch der jüdische Verein Hasmonea Lemberg. Bekanntester und beliebtester Spieler des Vereins in diesen Jahren war der Stürmer Zygmunt Steuermann, der von 1923 bis 1932 – abgesehen von einem kurzen Intermezzo bei Legia Warschau im Jahr 1929 – für Hasmonea spielte. Unweit von Lemberg geboren, spielte er als Jugendlicher zunächst bei verschiedenen Vereinen in Wien, wohin er während des Ersten Weltkriegs geflohen war. Zurück in Lemberg wurde er zum Star, der immer als etwas träge und langsam galt. Legendär jedoch war sein wuchtiger Schuss, weshalb die Gazetten oft berichteten: „Der wie gewöhnlich faule Steuermann hat wieder einmal drei Tore geschossen.“ In der polnischen Nationalmannschaft kam Steuermann nur zweimal zum Einsatz, erzielte dabei 1926 aber gleich vier Tore. Zum Ende seiner Karriere kehrte Steuermann in seine Heimatstadt Sambor zurück. 1939 besetzte die Sowjetunion Ostgalizien, sein Verein Korona wurde in Dynamo Sambor umbenannt. Knapp zwei Jahre später überfiel die Wehrmacht die Sowjetunion. Steuermann wurde als Jude ins Lemberger Ghetto gesperrt, wo er im Dezember 1941 – wie viele andere jüdische Sportler – erschossen wurde.
Henryk Reyman (1897-1963)
In seiner Heimatstadt Krakau ist Henryk Reyman eine Legende. Seine gesamte Karriere hindurch hielt er seinem Verein Wisła Krakau – dessen Stadion heute seinen Namen trägt – die Treue und führte ihn als Kapitän zweimal zur polnischen Meisterschaft. Für Wisła zog Reyman auch in den „Heiligen Krieg“ gegen den verhassten Lokalrivalen Cracovia, für den sein Bruder Jan spielte. Derart martialisch bezeichnen die Krakauer ihre Derbys zwischen den beiden ältesten Vereinen der Stadt. Von einem „Heiligen Krieg“ sprach die Presse auch vor dem denkwürdigen Spiel von Wisła gegen den Verein der deutschen Minderheit 1.FC Kattowitz im September 1927. Im Spitzenspiel der gerade gegründeten polnischen Liga erzielte Reyman per Elfmeter seinen 37. Saisontreffer – ein bis heute unangefochtener Rekord im polnischen Fußball. Allerdings schoss er den Strafstoß zum 3:0 ins leere Tor. Die Kattowitzer Mannschaft hatte das Spielfeld aus Protest gegen den parteiisch pfeifenden Schiedsrichter bereits verlassen. Wisła wurde anschließend Meister, die Deutschen aus Kattowitz polnischer Vize-Meister. Gekämpft hat Reyman auch jenseits des Fußballplatzes. Als polnischer Patriot kämpfte er im Ersten und Zweiten Weltkrieg, zog in den polnisch-sowjetischen Krieg und nahm als Freiwilliger an den Aufständen gegen das Deutsche Reich in Oberschlesien teil. Nach seiner aktiven Karriere trainierte der zwölfmalige Nationalspieler selbst für einige Jahre die polnische Nationalelf.
Ernst Wilimowski (1916-1997)
Ernst Wilimowski zählt zu den besten Fußballern aller Zeiten – und doch ist er selbst in Fachkreisen weitgehend unbekannt. Dabei schoss er in seiner Karriere unglaubliche 1175 Tore, wurde viermal polnischer Meister mit Ruch Chorzów und war in den 1930er Jahren der umjubelte Star der polnischen Nationalmannschaft. Genial waren seine vier Tore bei der spektakulären 5:6 Niederlage gegen Brasilien während der Weltmeisterschaft 1938. Als der Zweite Weltkrieg begann, nahm Wilimowski die deutsche Staatsbürgerschaft an, spielte fortan für deutsche Vereine und schoss unter Sepp Herberger in acht Länderspielen 13 Tore für Deutschland. In Polen galt er deshalb lange Zeit als Verräter, in Deutschland standen seine Leistungen immer tief im Schatten der Weltmeisterelf von 1954. Die wechselhafte Lebensgeschichte von Ernst Wilimowski steht sinnbildlich für das Schicksal seiner Heimatregion Oberschlesien, die lange Zeit ein Zankapfel zwischen Polen und Deutschen war. Wilimowski erblickte im deutschen Kattowitz die Welt, Fußball spielen lernte er im polnischen Katowice. Als die Nazis 1939 Polen überfielen, unterschrieb der zweisprachige Stürmerstar die Deutsche Volksliste, was ihn zum Reichsbürger machte. Denn Polen war es unter den Nazis streng verboten, Sport zu treiben. Wilimowski aber wollte Fußball spielen, für Politik interessierte er sich nicht. Der nationalen Vereinnahmung versuchte er sich zu entziehen, wurde aber von den politischen Ereignissen seiner Zeit eingeholt.
Friedrich Scherfke (1909-1983)
Im großpolnischen Posen war die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eine Zeit der nationalen Spannungen. Die Stadt hatte seit der Zweiten Polnischen Teilung im Jahr 1793 bis 1918 zu Preußen gehört und war nun Teil des wieder unabhängigen Polens. Als 1909 in Posen geborener deutscher Protestant spielte Friedrich Scherfke für einen Verein, der als Inbegriff des katholischen Polentums galt: Warta Posen. 1929 wurde Scherfke mit Warta polnischer Meister. Die 131 für Warta geschossenen Liga-Tore sichern ihm bis heute den zehnten Platz in der ewigen Liste der polnischen Rekordtorschützen. Weniger Erfolg als im Verein hatte Scherfke zunächst bei der polnischen Nationalmannschaft: dort debütierte er zwar bereits 1932, konnte sich aber lange Jahre nicht richtig durchsetzen. In die Annalen des polnischen Fußballs schrieb er sich jedoch 1938 ein, als er für Polen per Elfmeter das erste WM-Tor der Geschichte erzielte. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Posen 1939 wurde Scherfkes Klub Warta aufgelöst. Als „Volksdeutscher“ half er anschließend, den neu gegründeten deutschen Verein 1. FC Posen aufzubauen, deshalb galt er lange in Polen als Verräter. Zeitgenossen hingegen bezeugen, dass Scherfke während der Besatzung sein Möglichstes tat, um ehemalige Mannschaftskameraden vor der Verfolgung durch die Deutschen zu schützen. Nach dem Krieg lebte er in West-Berlin, wo er lange Jahre ein Möbelgeschäft führte.
Konstantin Schtschehozkyi (1911-1989)
Im Kiew der 1930er Jahre war Konstantin Schtschehozkyi ein Liebling der jungen Intellektuellen. Er war ein Genussmensch, dem Alkohol und Frauen nicht abgeneigt. Und er war ein brillanter Fußballer. Mit Dynamo Kiew spielte er um die sowjetische Meisterschaft und lief für die Auswahlmannschaften der Ukraine und der Sowjetunion auf. Für seine sportlichen Leistungen wurde er von der Kommunistischen Partei 1938 sogar mit einem Orden ausgezeichnet, obwohl sein extravaganter Lebensstil nicht der sowjetischen Ideologie entsprach. Doch vor dem „Großen Terror“ unter Stalin, dem Hunderttausende in der Sowjetunion zum Opfer fielen, war auch der gefeierte Innenstürmer von Dynamo Kiew nicht sicher. Im August 1938 wurde Schtschehozkyi von der Geheimpolizei NKWD verhaftet. Man warf ihm vor, ein Spion und „Feind des Volkes“ zu sein. Trotz der haltlosen Anschuldigungen blieb Schtschehozkyi 15 Monate in Haft und wurde dort gefoltert. Als er schließlich entlassen wurde, war er in einer miserablen körperlichen Verfassung. In einem Sanatorium am Schwarzen Meer gelangte der frühere Kapitän von Dynamo Kiew aber wieder zu Kräften und kehrte nach fast zwei Spielzeiten zu seiner Mannschaft zurück. Um sein Verschwinden zu erklären, dichtete man Schtschehozkyi eine Affäre mit der Gattin des schwedischen Botschafters in Moskau an. Seine Fußballkarriere bei Dynamo endete jedoch wenig später mit Beginn des „Großen Vaterländischen Kriegs“ gegen Deutschland.
Mikola Trusewytsch (1909-1943)
Wie kaum ein anderer beherrschte er den Strafraum und war der große Rückhalt seines Klubs Dynamo Kiew. Doch am 9. August 1942 stand Mikola Trusewytsch zum vorletzten Mal zwischen den Pfosten eines Fußballtors. Im Rahmen einer Sommerliga trat er mit seinen Teamkollegen vom FC Start gegen die deutsche „Flakelf“ an – eine Auswahl der deutschen Besatzungstruppen, die Kiew ein Jahr zuvor erobert hatten. Wie elektrisiert verfolgten die gut zweitausend Zuschauer im Kiewer Zenit-Stadion diesen symbolischen Kampf der Ukrainer gegen die verhassten deutschen Besatzer. Zur großen Genugtuung der ukrainischen Zuschauer gewann ihre Mannschaft mit 5:3 gegen die Flakelf, obwohl der Schiedsrichter parteiisch pfiff und die Deutschen die Partie äußerst hart führten. Trusewytsch soll nach einem Foul sogar kurzzeitig das Bewusstsein verloren haben. Aber neun Tage nach ihrem Erfolg nahm das Schicksal der Fußballer eine böse Wende. Trusewytsch und seine Mitspieler wurden aus bis heute umstrittenen Gründen an ihrem Arbeitsplatz in der Brotfabrik Nr. 3 von der Gestapo verhaftet und wenig später in das Konzentrationslager Siretz am Stadtrand von Kiew verschleppt. Am 24. Februar 1943 schließlich wurden Trusewytsch und zwei seiner früheren Mannschaftskameraden – wohl aus Vergeltung für einen Partisanenangriff – bei einer Massenexekution erschossen. In der Kiewer Bevölkerung sind diese Ereignisse der Besatzungszeit als „Todesspiel“ bekannt und bis heute umrankt von vielen Mythen.
Gerard Cieślik (geb. 1927)
Cieślik ist eine Stürmerlegende im Polen der 1950er Jahre. Unvergessen ist er bis heute vor allem in seiner Heimat Oberschlesien, wo er sein ganzes Fußballerleben verbrachte. Mit Ruch Chorzów errang er den polnischen Pokal und dreimal die Meisterschaft, dabei zweimal als Torschützenkönig der polnischen Liga. Berühmt aber wurde Gerard Cieślik durch zwei Tore im Herbst 1957. In der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 1958 trifft Polen auf den verhassten sowjetischen „Großen Bruder“. Für die polnischen Fans bietet sich die Gelegenheit, der Sowjetunion wenigstens auf dem Fußballplatz Widerstand zu leisten. Doch das Hinspiel in Moskau gegen den amtierenden Olympiasieger geht klar mit 0:3 verloren. Im Rückspiel aber gelingt vor 100.000 elektrisierten Zuschauern im oberschlesischen Chorzów (Königshütte) die Sensation. Cieślik schießt seine Mannschaft mit zwei Toren zum völlig unerwarteten 2:1 Sieg. Die Zuschauer feiern voller Genugtuung diesen historischen Erfolg und tragen ihre Helden auf Schultern aus dem Stadion. Dabei wurde Cieślik erst kurz vor der Partie in die Nationalelf geholt, denn der kleine, schmächtige Stürmer galt den Trainern als zu weich und ängstlich für die Auseinandersetzung mit „den Russen“. Zur WM fuhr Polen dennoch nicht. Im entscheidenden dritten Spiel gegen die Sowjetunion auf neutralem Boden im Leipziger Zentralstadion verlor die Mannschaft mit dem weißen Adler auf der Brust 0:2.
Grzegorz Lato (geb. 1950)
Es war der bis dahin größte Erfolg für eine polnische Nationalmannschaft. Mit dem 1:0 gegen Titelverteidiger Brasilien schoss Grzegorz Lato Polen auf den dritten Platz der WM 1974. Zugleich wurde er mit sieben Treffern Torschützenkönig des Turniers. Und doch hatte der Erfolg einen bitteren Beigeschmack, denn die entscheidende Partie um den Finaleinzug gegen Gastgeber Deutschland ging unter irregulären Bedingungen verloren. Nach heftigen Regenfällen war der Platz eigentlich unbespielbar. Vergeblich versuchte die Feuerwehr das Spielfeld mit Walzen und Pumpen vom Wasser zu befreien. Der Schiedsrichter pfiff das Spiel dennoch an, doch Polen konnte seine technische Überlegenheit nicht ausspielen. Der Ball blieb ständig in den Pfützen liegen. Die Partie ging verloren und als „Wasserschlacht von Frankfurt“ in die Fußballgeschichte ein. Grzegorz Lato prägte das goldene Jahrzehnt des polnischen Fußballs und wurde 1982 mit der Nationalelf ein zweites Mal WM-Dritter. Trotz seiner internationalen Erfolge hielt er dem kleinen Verein Stal Mielec aus dem Südosten Polens die Treue und wurde mit Stal zweimal nationaler Meister. Erst mit 30 Jahren durfte der blitzschnelle Stürmer ins Ausland wechseln, spielte in Belgien, Mexiko und Kanada. Nach einer kurzen Trainerkarriere und einer Zeit als Abgeordneter wurde Lato 2008 zum Präsident des polnischen Fußballverbandes gewählt.
Zbigniew Boniek (geb. 1956)
Zbigniew Boniek gilt als einer der besten polnischen Spieler aller Zeiten. Zweimal war er mit Widzew Łódź Anfang der 1980er Jahre polnischer Meister. Mit der Nationalmannschaft errang er bei der Weltmeisterschaft 1982 völlig unerwartet den dritten Platz, während in Polen das Kriegsrecht den Lebensalltag beherrschte. Nach der Weltmeisterschaft unterschrieb der damals 26-jährige Boniek einen Vertrag bei Juventus Turin, obwohl bis dahin polnische Spieler erst mit 30 Jahren ins westliche Ausland wechseln durften. In Italien wurde er Meister und Pokalsieger und avancierte zu einem europäischen Fußballstar. Der Weg zum Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1984 führte Boniek mit Juventus auch nach Polen. Doch das Spiel in Danzig – der Stadt der Gewerkschaftsbewegung Solidarność – geriet zur Nebensache. Die Fans auf den Rängen nutzen die internationale Aufmerksamkeit für eine politische Manifestation, skandierten den Namen des Gewerkschaftsführers Lech Wałęsa und riefen „Solidarność, Solidarność“. Von einer fürchterlichen Katastrophe hingegen wurde Bonieks größter Erfolg – der Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1985 – überschattet. Im Endspiel gegen den FC Liverpool starben nach einer Massenpanik im Brüsseler Heysel-Stadion 39 Fans seines Vereins. Nach dieser Saison wechselte Boniek für drei Spielzeiten zum AS Rom, wo er seine außergewöhnlich erfolgreiche Karriere 1988 beendete. Als Trainer agierte er später weit weniger glücklich.
Oleh Blochin (geb. 1952)
Oleh Blochin ist der Superstar des ukrainischen Fußballs schlechthin. Im Trikot von Dynamo Kiew errang er zwei Europapokalsiege, wurde mehrfach sowjetischer Meister, Pokalsieger und Torschützenkönig. Mit 211 Treffern führt der pfeilschnelle linke Außenstürmer die ewige Torschützenliste der sowjetischen Liga an. Sein sportliches Talent war ihm in die Wiege gelegt: die Mutter Leichtathletin, der Vater Fußballtrainer. Bereits als Zehnjähriger kam Blochin 1962 zu Dynamo Kiew – und blieb dem Verein fast bis ans Ende seiner aktiven Laufbahn treu. Seine Karriere ließ er beim SK Vorwärts Steyr in der österreichischen Provinz ausklingen. In seiner Heimat verbindet man mit Blochin eine Zeit der ukrainischen Dominanz im sowjetischen Fußball. Bis in die 1960er Jahre hinein hatten nahezu ausnahmslos die Moskauer Mannschaften Dynamo, Spartak, ZSKA und Torpedo die Meisterschaft unter sich entschieden. Dann aber war Dynamo Kiew mit Oleh Blochin das Maß aller Dinge. Auch international sorgte der ukrainische Star für Furore und Schrecken. In den beiden Finalspielen des europäischen Supercups 1975 besiegte Blochin den FC Bayern München mit drei Treffern praktisch im Alleingang. Im selben Jahr wurde der Stürmer zu Europas Fußballer des Jahres gekrönt. Mehr als 16 Jahre lief Blochin mit der sowjetischen Nationalelf auf, für die er in 101 Begegnungen 35 Tore schoss. Nach mehreren Stationen als Trainer griechischer Klubs, betreut er seit 2003 mit einer kurzen Unterbrechung die ukrainische Nationalmannschaft.
Walerij Lobanowskyj (1939-2002)
In der Ukraine ist Walerij Lobanowskyj eine Trainerikone. Vor dem nach ihm benannten Stadion in Kiew erinnert ein liebevoll gestaltetes Denkmal an den Fußballstrategen. Acht sowjetische Meistertitel, sechs Pokalsiege und zwei Europapokalsiege holte „Loba“ in seinen 16 Jahren auf der Trainerbank von Dynamo Kiew. Der gebürtige Kiewer wurde als Stürmer 1961 Meister und 1964 Pokalsieger und war berüchtigt für seine direkt verwandelten Eckbälle. Sein Erfolgsrezept als Trainer hat sich „Loba“ während der Weltmeisterschaft 1974 von den Holländern abgeguckt. Er kombinierte das Spielsystem des „Totalen Fußballs“ mit wissenschaftlichen Analysen. Mit eigens errichteten Leistungszentren erreichte Lobanowskyj ein Level an Professionalität, das im Westen bis dato unbekannt war. Als sowjetischer Nationaltrainer ließ „Loba“ oft die eingespielte Mannschaft von Dynamo Kiew antreten, lediglich ergänzt um wenige Moskauer Spieler. Das beflügelte den Patriotismus der Ukrainer, die ganz großen Erfolge blieben jedoch aus. Der Zusammenbruch der Sowjetunion beendete vorerst Lobanowskyjs Trainerkarriere in der Ukraine. Nach einigen Jahren als Trainer in Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten, kehrte er 1997 nach Kiew zurück, holte viermal mit Dynamo die ukrainische Meisterschaft, führte den Klub ins Halbfinale der Champions League und übernahm zeitweise auch noch die Nationalelf. Mit gerade einmal 63 Jahren erlitt er im Jahr 2002 auf der Trainerbank einen Schlaganfall und Schlaganfall und verstarb wenig später.
Erschienen in: Stephan Felsberg / Tim Köhler (Hrsg.): Eastern Allstars – Große Fußballer zwischen Ostsee und Schwarzem Meer, Vergangenheitsverlag, Berlin 2012. Eine mehrsprachige Online-Version findet sich auf www.eastern-allstars.eu