Drei Barrieren für einen Deutschen

Vor fünf Jahren kam ich das erste mal nach Nishnij, um in der Stadt ein Jahr lang meinen Zivildienst zu absolvieren. Ich könnte von vielen Impressionen und Begegnungen erzählen, doch will ich mich beschränken auf das, womit wohl die meisten Deutschen zu kämpfen haben, wenn sie für längere Zeit nach Nishnij kommen: die russische Sprache. Trotz sieben Jahre Russischunterricht in der Schule habe ich am Anfang kaum etwas verstanden und konnte noch weniger sagen.

Plant man als Deutscher für ein ganzes Jahr nach Nishnij zu kommen, gilt es jedoch, schnell irgendwie des Russischen mächtig zu werden. Ansonsten wird es schwer, sich in Rußland zurechtzufinden. Die Grammatik war dabei nicht das Problem, denn die lernt man irgendwann mehr schlecht als recht zu beherrschen. Dreierlei Probleme hingegen entpuppten sich als ziemlich hohe Hürden beim Erlernen des Russischen: der russische Slang, mat, und mein deutscher Akzent.

Zum russischen Slang gehört neben den grausamsten Abkürzungen, die Ausländern allerorts begegnen, vor allem die Jugendsprache. Sie brachte mich regelmäßig zum Verzweifeln, wenn ich wieder mal dachte, ich kann Russisch, dann hörte ich plötzlich Freunde reden, die nur Wörter benutzten, die ich weder kannte noch in den dicksten Wörterbüchern fand. Sie haben sie mir dann oft mühsam aber sehr erheitert erklärt.

Mat – das sind die vielen russischen Wörter, die hier niederzuschreiben mir mein Anstand verbietet, die einem jedoch ständig begegnen, obwohl sie doch angeblich niemand gebraucht. Will man als Deutscher wirklich in Nishnij zurechtkommen, muß man die Wörter lernen! Selbst wenn sie oft nie ausgesprochen werden, Anspielungen auf diese Wörter hört man allenthalben. Ich habe mir den Gebrauch und die verschiedenartige Verwendung bei regelmäßigen Besuchen in den öffentlichen Dampfbädern angeeignet. Manchmal jedoch führte die Anwendung des gelernten zu peinlichen Mißverständnissen.

Letzte große Hürde für einen Deutschen in Nishnij ist schließlich der unverkennbare deutsche Akzent. Zwar hilft er in manchen Situationen durchaus, doch beim Taxifahren und im Museum habe ich ihn verflucht. Denn beides verteuerte er ungemein. Da half dann nur möglichst in ganz wenigen Worten den Preis auszuhandeln oder die Eintrittskarten zu kaufen. Hatte man die Karten oder war man sich über den Preis einig, konnte man sich ja wieder getrost als Deutscher zu erkennen geben.

Inzwischen spreche ich zwar ganz redlich Russisch, doch die drei Hürden reiße ich immer noch ziemlich oft. Dennoch, ich bin überzeugt, in weiteren fünf Jahren werde ich zwar zu alt sein für den Jugendslang, aber das russische mat werde ich akzentfrei beherrschen!

Dieser Artikel erschien zuerst in Konzept 04/2006. Die russische Fassung erschien in Birsha Plus Kar’era.
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